Alchemie
Die Alchemie ist eine holistische Naturwissenschaft, die die Natur als den Tempel betrachtet, in dem sich das Göttliche manifestiert. Sie erforscht die Natur aus einem geistig-seelischen Standpunkt und ermöglicht es dem Alchemisten, die der Natur zugrunde liegenden Lebenskräfte und Gesetzmäßigkeiten zu verstehen und die kosmischen Zusammenhänge geistig zu erfahren. Diese Erfahrungen führen den Alchemisten zu der Einsicht, dass alles in der Natur aus derselben Quelle stammt und sich die Natur zu einer im göttlichen Geist vorbestimmten vollkommenen kosmischen Ordnung hin wandelt.
Die Voraussetzung, um das zeitlose Wissen der Alchemie in sich entdecken zu können, ist das „Schauen im Lichte der Natur“, wie es der Arzt und Alchemist Paracelsus bezeichnete. Nur für denjenigen, der im Lichte der Natur schauen kann, sind die unsichtbaren Dinge genauso sichtbar wie die sichtbaren, lesen wir bei ihm. Der Alchemist folgt also keiner Lehre im Außen, sondern schaut im Lichte der Natur. Er folgt der Wahrheit seiner Seele, die sich in seinem Herzen mitteilt. Damit er diese Wahrheit auch vernehmen kann, ist es essentiell, sein Herz zu reinigen und seine Seele in den Vordergrund des Lebens treten zu lassen. Das Herz wird hierbei als ein Reflektor des Einen gesehen, der individuell die eine absolute Wahrheit widerspiegelt. Nur hier können wir das Absolute wahrnehmen und wirken lassen.
Nur wenn das Energiezentrum des Herzens wirksam wird und in seine ursprüngliche Aktivität versetzt wird, kann die Polarität überwunden werden, und es vollzieht sich die alchymische Hochzeit, die eine innere Verbindung von Herz und Haupt darstellt. Die künstliche Trennung der spirituellen Funktionen des Gehirns und des Herzens wird aufgehoben, und der Mensch transmutiert wieder zu einem Geist-Seelenwesen, was er einstmals war, ist und immer sein wird. Bei der alchymischen Hochzeit entsteht ein drittes Prinzip, das beide Pole miteinander verbinden und harmonisieren kann.
Dieses „Prinzip des Dritten“ wurde fast vollständig aus dem Leben der Menschen verbannt, und die Menschheit verlor sich in Trennung und Spaltung. Bei diesem Prinzip handelt es sich um den Merkur in der Alchemie. Der Merkur ist der Götterbote und kann sich sowohl mit der Materie als auch mit dem Geistigen verbinden. Ebenfalls kann der Merkur das Geistige herabholen in die Materie und diese geistig durchwirken. Dies ist auch die Aufgabe des Alchemisten, die er der Schöpfung zur Verfügung stellt. Nur der Merkur kann das „Trenne und Herrsche“ vollkommen auflösen, harmonisieren und zu wahrer Heilung führen. Das Merkurprinzip finden wir überall in der Natur, denn alles besteht aus drei Essentialen, die in der Alchemie als Merkur, Sulfur und Sal bekannt sind. In der indischen Mythologie finden wir diese Trinität als die drei Gunas: Tamas, Rajas und Sattva.
Die Begriffe Merkur (oder Quecksilber), Sulfur (oder Schwefel) und Sal (oder Salz) haben mit der üblichen Bedeutung dieser Stoffe in der rein materiellen Chemie nichts zu tun. Der Alchemist meint mit Merkur das anonyme Lebensprinzip, die von Gott gegebene unpersönliche Lebenskraft, das Flüchtige, den Geist und das Ätherische. Diese solar-erhitzende Geisteskraft bewirkt die Ausdehnung des Stofflichen zur Freilegung seines geistigen Gehalts.
Der Begriff Sulfur meint die Seele, die Psyche, das Bewusstsein, das innere Feuer und das Individuelle. In der Pflanze erfahren wir den Sulfur beispielsweise vor allem in der Blüte, in ihrer Farbe und dem Duft, welche der Pflanze ihre Individualität verleihen.
Das Sal beschreibt in der Alchemie die Geisteskraft, die eine spagyrische Verdichtung und Festigung bewirkt. Der Begriff beinhaltet das Feste, den Körper und das stoffliche Grundgerüst, das Geist und Seele fixiert.
Die Grundprinzipien der Alchemie – die drei Essentialen, die fünf Elemente und viele weitere – finden wir überall in der Natur, und sie haben eine universelle Bedeutung. So haben wir auch die Trinität in Sonne – Mond – Erde, Vater – Mutter – Kind, Tierreich – Mineralreich – Pflanzenreich, den drei Schöpfungssubstanzen und vielen weiteren Bereichen. Es gibt hierbei stets einen Vermittler (Merkur), wie zum Beispiel die Pflanze, die das Mineral verstoffwechseln und es so den Tieren zugänglich machen kann.
Wir finden diese Prinzipien der Alchemie auch in den Jahreszeiten, in den Tageszeiten und im Sterbe- und Inkarnationsprozess des Menschen. Durch das Verständnis dieser Zusammenhänge ist es dem Alchemisten möglich, ein Leben im Einklang mit den kosmischen Gesetzen zu führen, einzigartige Heilmittel herzustellen, wahres Wissen zu vermitteln und selbst zu transmutieren. So kann der bleierne, saturnische Mensch zu einem goldenen, sonnenhaften Menschen werden, welcher der Welt die Liebe schenken kann, die sie aktuell so dringend benötigt.